Irrtümer beim Training mit ängstlichen Hunden

Ein Beitrag von Wibke Hagemann

Im Training mit ängstlichen Hunden gibt es viele vermeintlich gute Ratschläge und Trainingsmythen. Einige der gängigen Vorurteile und Irrtümer im Bezug auf das Training mit ängstlichen Hunden teilen wir in diesem Beitrag mit Ihnen.

Top 1 – „Die Angst vergeht schon wieder“

Kurzfristige Angst, wie nach einem Schreckmoment oder einem zeitlich begrenzten Ereignis, kann in vielen Fällen durchaus wieder abebben. Besteht aber die angstauslösende Situation längerfristig und wirkt für das Lebewesen nicht zu bewältigen, liegt eine Verminderung der Lebensqualität vor und ist nicht hinnehmbar.

Viele Ängste, wie zum Beispiel Geräuschängste oder Umweltängste werden schnell generalisiert, also auf andere Orte oder Kontexte übertragen, was ein schnelles Behandeln der Ängste unabdingbar macht. Ein „Aussitzen“ dieser emotionalen Schieflage sollte nicht in Erwägung gezogen werden, da sich dadurch die Problematik in den meisten Fällen verschlimmert. Hat der Hund seine Ängste erst generalisiert, erfordert es langfristiges Training, um eine Besserung zu erzielen.

Top 2 – „Der Hund stellt sich nur an“

Angst ist eine sehr unangenehme Emotion und ist im Gegensatz zu Furcht irrational, also nicht durch Logik hergeleitet. Das bedeutet, dass Angst von der Wahrnehmung und den Bewältigungsstrategien des Individuums abhängt. Somit kann ein Lebewesen Angst haben, ohne dass der Grund dafür für andere logisch oder nachvollziehbar erscheint.

Einem anderen Lebewesen „Anstellerei“ zu unterstellen, sagt viel mehr über die mangelnde Empathie und Hilfsbereitschaft desjenigen aus, der urteilt, als über den, der Angst hat.


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Top 3 – „Einen Zweithund anzuschaffen hilft“

Der Gedanke, einen Artgenossen anzuschaffen, der dem Hund durch Souveränität in allen Lebenslagen Sicherheit vermittelt, ist grundsätzlich keine schlechte Idee. In den allermeisten Fällen hakt es aber bei der Durchführung, getreu dem Motto: Die Idee war gut, die Umsetzung leider nicht.

Hunde lernen stark über „Soziales Lernen“ oder vereinfacht gesagt: durch Abgucken von Hund zu Hund. Ist nun der eine Hund ängstlich und der Neuankömmling nicht so selbstsicher wie es eigentlich notwendig wäre, vervielfachen wir in vielen Fällen innerhalb kürzester Zeit die Probleme – für beide Hunde.

Top 4 – „Wenn der Hund Männer / Kinder / Frauen meidet, dann hat er schlechte Erfahrungen gemacht“

Die Sozialisierung ist ein wichtiger Teil der Entwicklung eines jungen Hundes. In dieser frühen Lebensphase lernt er, dass die Lebewesen, die ihm begegnen, ungefährlich und im besten Fall nette Sozialpartner sind.

Hat der Hund diese Erfahrungen im jungen Alter nicht sammeln können, begegnet er diesen „Unbekannten“ mit Skepsis, die sich leicht zur Angst entwickeln kann. Schlechte Erfahrungen waren an dieser Reaktion meist nicht beteiligt, sondern das Versäumnis, den Hund zu sozialisieren.

Top 5 – „Hunde, die Angst vor Menschen haben, muss man aus der Hand füttern – das baut Vertrauen auf“

Nahrungsaufnahme ist ein Grundbedürfnis und sollte nicht mit einem langfristigen inneren Konflikt verbunden sein. Hunden ihr Futter ausschließlich über die Handfütterung zu gewähren und sie damit in den Konflikt zu zwingen, sich zwischen ihrer Angst vor dem Menschen und ihrem Hunger zu entscheiden, ist ethisch fragwürdig.

Insbesondere Tierschutzhunde haben oft gelernt, dass die Fütterung aus der Hand die Ankündigung dafür ist, dass sie eingefangen werden. Auf dieser Basis Vertrauen aufbauen zu wollen, ist ein Fundament das auf Sand gebaut wird.

In unserem Blog finden Sie ausführliche Artikel zu weiteren Irrtümern im Training mit ängstlichen Hunden. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.


Mehr über das Thema „Handfütterung“ erfahren Sie im Blogbeitrag zum Thema „Ängstliche Hunde aus der Hand füttern„.


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